Haftung einer Suchmaschine bei inhaltsgleichen Verletzungen

Landgericht Berlin

Beschluss v. 13.01.2005 - Az.: 27 O 573/04

Leitsatz

1. Eine Suchmaschine trifft kein Verschulden für rechtswidrige Inhalte, wenn diese Inhalte in der Vergangenheit verboten wurden, sie nun aber unter einer neue URL auftauchen. Denn einer Suchmaschine ist es technisch nicht möglich, kerngleiche bzw. gleichartige Rechtsverletzungen in einem vorgezogenen Filterverfahren zu erkennen und zu sperren.

2. Angesichts der Schlüsselfunktion der Suchmaschinen als Navigationshilfen, die der breiten Öffentlichkeit den Weg zu Inhalten im Internet erst ermöglichen, ist davon auszugehen, dass dem Suchmaschinenbetreiber nur die Einhaltung des Unterlassungsgebots bzgl. der in einer gerichtlichen Entscheidungung umfassten konkreten Einträge in der Trefferliste der Suchmaschine obliegt.

Tenor

(nicht abgedruckt)

Sachverhalt

(Hinweis d. Redaktion: Es war gegen die Schuldnerin, eine bekannte Suchmaschine, aufgrund rechtswidriger Inhalte unter URL Nr. 1 eine einstweilige Verfügung erlassen worden. Diese URL Nr.1 wurde entfernt.

Wenig später tauchten die gleichen Inhalte unter URL Nr.2 auf.)

Entscheidungsgründe

Der Ordnungsmittelantrag ist zurückzuweisen. Die Schuldnerin hat mit den im Ordnungsmittelantrag beanstandeten Einträgen dem in der einstweiligen Verfügung enthaltenen Unterlassungsgebot nicht schuldhaft i.S.d. § 890 ZPO zuwidergehandelt. Die Kammer geht davon aus, dass es der Schuldnerin vorliegend nicht möglich ist, durch zumutbare Prüfungspflichten die Unterlassung kerngleicher Einträge wie der beanstandeten sicherzustellen.

Von Dritten, die eine rechtswidrige Beeinträchtigung lediglich objektiv durch ihr Handeln unterstützen - sprich auch von der hier in Anspruch genommenen Suchmaschine -, darf nichts Unzumutbares verlangt werden. Ihre Haftung setzt daher die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Die Beurteilung, ob und inwieweit eine Prüfung zuzumuten war oder ist, richtet sich nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, wobei die Funktion und die Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen sowie die Eigenverantwortung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vorgenommen hat oder vornimmt, zu berücksichtigen sind. Wenn Hyperlinks nur den Zugang zu ohnehin allgemein zugänglichen Quellen erleichtern, dürfen im Interesse der Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) an die nach den Umständen erforderliche Prüfung keine zu strengen Anforderungen gestellt werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die sinnvolle Nutzung der unübersehbaren Informationsfülle im ?World Wide Web? ohne den Einsatz von Hyperlinks zur Verknüpfung der dort zugänglichen Daten praktisch ausgeschlossen wäre.

Nachdem die Schuldnerin von den rechtswidrigen Inhalten der vom Verbotstenor umfassten Hyperlinks Kenntnis erhalten hat, hat sie jene unstreitig umgehend gesperrt. Sie hat konkret und detailliert vorgetragen, dass es ihr technisch nicht möglich war, kerngleiche bzw. gleichartige Persönlichkeitsrechtsverletzungen in einem vorgezogenen Filterverfahren zu erkennen und zu sperren. Angesichts der Schlüsselfunktion der Suchmaschinen als Navigationshilfen, die der breiten Öffentlichkeit den Weg zu Inhalten im Internet erst ermöglichen, ist davon auszugehen, dass dem Suchmaschinenbetreiber nur die Einhaltung des Unterlassungsgebots bzgl. der vom Verbotstenor umfassten konkreten Einträge in der Trefferliste der Suchmaschine obliegt. Dabei braucht der Betreiber nämlich weder umfangreiche Nachforschungen unter hohem personellen und technischen Aufwand durchzuführen, noch ist er verpflichtet, alle Einträge, die als Ergebnis für die eingegebene Kombination von Suchbegriffen angezeigt wurden, sperren zu lassen. Dagegen kann ihm nicht zugemutet werden nachzuprüfen, ob ähnliche Einträge aus der Perspektive eines unbefangenen Internetnutzers als rechtswidrig anzusehen sind.

Die Schuldnerin hat detailliert dargetan, dass bei den ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten des Filterns durch die Filter auch rechtmäßige Beiträge zu Tage gefördert würden und sie als Konsequenz daraus, die jeweiligen Treffer - noch dazu erheblichen Umfangs - einer menschlichen Bewertung zu unterziehen gezwungen wäre. Dies ist dem in Anspruch genommenen Suchmaschinenbetreiber nicht zumutbar. Mangels Erkennbarkeit kerngleicher Verstöße trifft die Schuldnerin demnach vorliegend kein Verschulden. (...)