Haftung bei Domain-Parking

Landgericht Berlin

Urteil v. 28.05.2008 - Az.: 96 O 16/08

Leitsatz

Auf einer geparkten Domain kann der Hinweis "Der Inhaber dieser Domain parkt diese beim Domain-Parking-Programm. Die auf dieser Seite bereitgestellten Listings kommen von dritter Seite und stehen mit dem Domain-Inhaber oder Sedo in keiner Beziehung." dazu führen, dass die für eine Markenverletzung erforderliche Verwechslungsgefahr entfällt.

Tenor

In dem Rechtsstreit (…) gegen (…) hat die Kammer für Handelssachen 96 des Landgerichts Berlin in 10179 Berlin-Mitte, Littenstraße 12-17, auf die mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht (…) für Recht erkannt:

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

 

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

 

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zuzüglich 10 % abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % leistet.

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt Ersatz eines ihr durch eine markenrechtliche Abmahnung entstandenen Schadens.

 

Die Klägerin betreibt ein Zeitarbeitsunternehmen, über das sie in der aus der Anlage K 15 ersichtlichen Weise auf ihren Internetseiten unter der Domain (…) informiert. Sie ist seit 2005 Inhaberin der Wortmarke "(…)", die unter anderem für die Dienstleistungen "Arbeitnehmerüberlassung auf Zeit, Personal- und Stellenvermittlung, Vermittlung von Zeitarbeitskräften" geschützt ist; wegen der Einzelheiten wird auf den mit der Anlage K 1 dokumentierten Eintrag im Markenregister verwiesen.

 

Die Beklagte bietet unter anderem ein so genanntes Domain-Parking an. Dieses Geschäftsmodell sieht so aus, dass sie Inhabern unbenutzter Domains anbietet, diese in der Weise zu nutzen, dass - vermittelt durch das Unternehmen Google - automatisch zu einem von Domaininhaber angegebenen Keyword passende Werbeeinträge auf der Domain eingeblendet werden, bei deren Aufruf die Beklagte und - vermittelt durch diese - der Domaininhaber so genannte Pay-per-Click-Vergütungen erzielen. Ferner kann die Domain käuflich erworben werden. Wegen der Einzelheiten des Geschäftsmodells wird auf die als Anlagen K 3, K 5, K 6, K 7 und K 8 sowie Anlagen B 1, B 2, B 3, B 4, B 5, B 6, B 7, B 8 und B 11 eingereichten Unterlagen verwiesen, die auszugsweise und zu teils unterschiedlichen Zeitpunkten von der Beklagten auf ihrer Website veröffentlichte Informationen zeigen. Als Beispiel für eine bei ihr geparkte Domain verweist die Beklagte interessierte Domaininhaber auf die Domain (…).

 

Zu Anfang des Jahres 2007 stellte die Klägerin fest, dass der Inhaber der Second-Level-Domain "(…)" mit der Top-Level-Domain "de" diese bei der Beklagten geparkt hatte. Da von sämtlichen gängigen Internetbrowsern bei Eingabe von Domains ohne die Bezeichnung des World Wide Web (www.) die Eingabe automatisch um diese Angabe ergänzt wird, gelangte ein Nutzer des Internets bei Eingabe von "(…)" automatisch zu (…).

 

Die Klägerin beauftragte die Rechtsanwälte und Patentanwälte der sie in diesem Rechtsstreit vertretenden Sozietät, die Beklagte abzumahnen, was mit Schreiben vom 6. Februar 2007 (Anlage K 10) geschah. Gleichzeitig forderte sie die Beklagte auf, ihr entstandene außergerichtliche Kosten auszugleichen. Unter dem 11. Februar 2007 unterzeichnete die Geschäftsführerin der Klägerin eine auf die Rechtsanwälte und Patentanwälte der Sozietät lautende Vollmacht für die Abmahnung, die von der Klägerin im Termin am 14. Mai 2008 im Original zur Akte gereicht worden ist (Bl. 64a d.A.)

 

Mit Schreiben vom 8. Februar 2007 (Anlage K 11) erklärte die Beklagte, erst durch die Abmahnung von der Domain (…) erfahren zu haben, und verpflichtete sich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vertragsstrafenbewehrt zur Unterlassung.

 

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 (Anlage K 12) forderte die Klägerin über die beauftragte Sozietät die Beklagte auf, ihr jeweils auf der Grundlage der Gebührenvorschriften des RVG nach einem Wert von 200.000,- € und einen Gebührensatz von 1,3 durch die Beauftragung von Rechtsanwälten und Patentanwälte entstandenen Kosten in Höhe von 2.380,80 € (netto) (zusammen 4.761,60 €) zu erstatten.

 

Die in dieser Höhe gegen sie gerichtete Gebührenforderung wurde von der Klägerin nicht beglichen. Mit Email vom 10. Januar 2008 (Anlage K 14) bat die von ihr mit der Abmahnung beauftragte Sozietät die Muttergesellschaft der Klägerin um die Zustimmung, dass die Gebührenforderung klageweise bei der Beklagten geltend gemacht werde.

 

Unter dem 22. Februar 2008 stellte die von der Klägerin beauftragte Sozietät dieser für die Tätigkeit von Rechtsanwälten und Patentanwälten jeweils 2.833,15 € (2.380,80 zzgl.

19 %) in Rechnung.

 

Die Klägerin behauptet, sie sei mit den aus der Anlage K 15 ersichtlichen Firmendaten Deutschlands ältestes Zeitarbeitsunternehmen. Die Beispielsseite der Beklagten mit der Domain (…) sehe wie aus der Anlage K 4 ersichtlich aus. Die Beklagte habe auch für die Domain "(…)" ein so genanntes Masterkeyword eingerichtet. Bei Eingabe von "(…)" sei - wie aus der Anlage K 9 ersichtlich - eine Seite mit Werbung für Stellenangebote und Stellenanzeigen erschienen. Die Klägerin habe ihre Rechtsanwälte und Patentanwälte beauftragt, nach den Gebührenvorschriften des RVG für sie tätig zu werden.

 

Die Klägerin beantragt nach teilweiser Rücknahme der Klage hinsichtlich der Höhe des geltend gemachten Zinssatzes, die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.761,60 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank ab dem 14. März 2007 zu zahlen.

 

hilfsweise

 

die Beklagte zu verurteilen, sie von den Kosten der Rechtsanwälte und Patentanwälte der (…) Anwaltssozietät freizustellen, die durch die Abmahnung vom 6. Februar 2007 in Höhe von jeweils 2.380,80 € entstanden sind.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Sie rügt die Vollmacht der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und behauptet: Ihre Beispielsseite mit der Domain (…) sehe wie aus der Anlage B 17 ersichtlich aus. Das für die Auswahl der Werbeeinträge auf der Seite (…) verantwortliche Keyword sei nicht von der Beklagten ausgewählt worden, sondern der Domaininhaber habe beim Parken der Domain im vorgesehenen Auswahlfeld ein Keyword eingetragen, das dann an den Lieferanten der Werbung - Google - weitergegeben worden sei. Bei Eingabe von "(…)" sei zunächst nicht die mit der Anlage K 9 dokumentierte Seite erschienen - diese habe sich erst beim Klicken auf die zur Wahl gestellte Kategorie "Jobs" geöffnet -, sondern auf der geparkten Seite seien nur allgemeine Oberbegriffe, so genannte weiterführende Kategorielinks erschienen. Zwischen der Klägerin und den für sie tätig gewordenen Rechtsanwälten und Patentanwälten sei eine Abrechnung auf Stundenbasis vereinbart worden.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

 

Die Klage ist nicht begründet.

 

Die Klägerin hat gegen die Beklagte bereits dem Grunde nach keinen Schadensersatzanspruch gemäß § 14 Abs. 6 MarkenG oder § 15 Abs. 5 MarkenG wegen Verletzung der eingetragenen Marke bzw. von geschäftlichen Bezeichnungen im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG und kann daher nicht die Zahlung des nach ihrem Vorbringen an die von ihr beauftragten Rechtsanwälte und Patentanwälte zu leistenden Betrages verlangen. Die Beklagte hat Rechte der Klägerin weder als Täter noch als Teilnehmer an der Verletzungshandlung des Inhabers der Domain "(…)" verletzt und haftet auch nicht als Störer für eine Verletzungshandlung des Domaininhabers.

 

1.

 

Eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht nicht.

 

Es besteht kein Zweifel, dass die Marke der Klägerin und die Domain "(…)" verwechslungsfähig sind, weil insoweit die Top-Level-Domain "de" außer Betracht bleiben muss und eine mit dem Internet vertraute Person die Tippfehlerdomain "(…)" mit der hinreichend kennzeichnungskräftigen Marke in Verbindung bringen wird. Wie die Erörterung im Termin am 14. Mai 2008 ergeben hat, sind die bei der Beklagten geparkten Domains über Suchmaschinen nicht ohne weiteres zu finden. Ein Nutzer des Internets konnte daher nicht über die Eingabe des Suchbegriffs "(…)" oder eines anderen, mit von der Marke erfassten Dienstleistungen in Verbindung stehenden Suchbegriffs zur Seite (…) gelangen, sondern nur dann, wenn er sich bei der Eingabe einer Domain des von ihm verwendeten Browsers vertippt hatte. Dies ist im nennenswerten Umfang nur bei solchen Personen denkbar, die gezielt nach dem Internetauftritt der Beklagten suchten. Jedenfalls für diese auf der Suche nach der Klägerin befindlichen Personen war der Bezug zur Marke der Klägerin offensichtlich.

 

Für das soeben beschriebene Publikum, das auf die Domain "(…)" traf, bestand jedoch nicht die Gefahr einer Verwechslung dieses Zeichens mit der Marke der Klägerin. Nach dem Vorbringen der Parteien kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein Nutzer des Internets nach Eingabe der Domain auf die von der Klägerin mit der Anlage K 9 dokumentierte Seite traf. Die Klägerin hat für die Richtigkeit ihres entsprechenden Vorbringens Beweis nicht angeboten. Da es über den auf der dokumentierten Seite zu sehenden Werbeeinblendungen heißt "Sponsored Links zum Thema jobs:" spricht jedoch sogar Einiges dafür, dass es sich nicht um die Startseite der geparkten Domain handelte, sondern dass man diese - wie von der Beklagten vorgetragen - erst durch Klicken auf den auch aus der Anlage K 9 ersichtlichen Kategorielink "Jobs" erreichen konnte.

 

Selbst wenn man für die Entscheidung davon ausgeht, dass - wie von der Beklagten eingeräumt - nach Eingabe von "(…)" eine Internetseite zu sehen war, die - wie die Anlage K 9 - im oberen Teil der Seite die eingegebene Domain und darüber die Kategorieüberschriften "Wellness", "Sport", "Shopping", "Reisen", "Musik", "Jobs", "Internet", "Gesundheit", "Games" und "Finanzen" zeigte, bei deren Anklicken man zu einer Seite mit zum jeweiligen Thema passenden "Sponsered Links" gelangte, ist die Gefahr einer Verwechslung im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht erkennbar. Das durch die Internetseite (…) angesprochene Publikum konnte zum einen anhand der unübersehbar oben auf der Seite angegebenen Second-Level-Domain, die völlig untypisch und nur durch den Tippfehler bedingt mit "www.(...)" begann, erkennen das ihm ein Tippfehler unterlaufen sein musste. Zum anderen ließ es nur einer der zu sehenden Kategorielinks ("Jobs") zu, eine Verbindung zu Dienstleistungen herzustellen, die von der Marke der Klägerin erfasst waren, so dass dieser Bezug aus Sicht des Nutzers als zufälliger erscheinen musste. Hinzu kommt, dass nicht ersichtlich ist, dass die nach Eingabe von "(…)" zu erreichende Internetseite nicht tatsächlich - wie von der Beklagten unter Hinweis auf die Anlage B 17 geltend gemacht - entsprechend dem allgemeinen Erscheinungsbild der bei ihr geparkten Websites am unteren Rand den

 

Hinweis "Der Inhaber dieser Domain parkt diese beim Domain-Parking-Programm. Die auf dieser Seite bereitgestellten Listings kommen von dritter Seite und stehen mit dem Domain-Inhaber oder Sedo in keiner Beziehung. (…)" trug, was zusätzlich die Gefahr von Verwechslungen mit der Marke der Klägerin begrenzt hätte. Die Klägerin hat auch insoweit ihr Vorbringen nach Bestreiten der Beklagten nicht ergänzt und Beweis nicht angeboten.

 

Ob sich auf der Startseite andere von Google aufgrund eines vom Domaininhaber oder der Beklagten vorgegebenen Keywords geschaltete Werbeeinträge befanden, die aus Sicht des Publikums einen Bezug zu von der Marke erfassten Dienstleistungen aufwiesen und damit die Gefahr einer Verwechslung begründen konnten, kann mangels Kenntnis des Aussehens dieser Startseite nicht beurteilt werden. Es kommt daher für die Entscheidung nicht darauf an, ob die Beklagte dieses der Klägerin offenbar unbekannte Keyword selbst vorgegeben hat oder - wie von der Beklagten behauptet - dieses vom Inhaber der Domain "(…)" vorgegeben worden ist; auch insoweit hat die Klägerin für die Richtigkeit ihres Vorbringens Beweis jedoch nicht angeboten. Wie mit den Parteien im Termin am 14. Mai 2008 erörtert, ist Gegenstand der Rechtsstreits nicht die allgemeine Frage, ob es im Rahmen des von der Beklagten angebotenen Domain-Parkings zu Kennzeichenverletzungen kommen kann oder kommen konnte, sondern allein, ob durch die Verwendung des Zeichens "(…)" die Gefahr von Verwechslungen mit der Marke der Klägerin geschaffen worden ist. Dies kann aufgrund des der Entscheidung zugrunde zu legenden Sachverhalts nicht bejaht werden.

 

2.

 

Die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke der Klägerin sind nicht in einer die Rechte der Klägerin verletzenden Weise ausgenutzt worden. Schutz genießt die Marke der Klägerin insoweit gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nur, wenn es sich bei ihr um eine in Deutschland bekannte Marke handelte. Nach dem Vorbringen der Klägerin ist nicht erkennbar, dass die Marke einem bedeutenden Teil des Publikums bekannt ist, das von den durch die Marke erfassten Dienstleistungen betroffen ist. Maßgeblich sind insoweit alle relevanten Umstände des Falles, insbesondere der Marktanteil der Marke, die Intensität, die geografische Ausdehnung und die Dauer ihrer Benutzung sowie der Umfang der Investitionen, die das Unternehmen zu ihrer Förderung getätigt hat (vgl. EuGH, GRUR Int. 2000, 73, 75 - Chevy). Die Klägerin macht zwar unter Bezugnahme auf ihren eigenen Internetauftritt geltend, sie sei das älteste deutsche Zeitarbeitsunternehmen, beschäftige derzeit ca. 4000 Mitarbeiter und habe im Bundesgebiet 52 Niederlassungen, doch ergibt sich aus diesen - von der Beklagten zudem bestrittenen - Daten nicht eine anhand der vorstehenden Kriterien zu messende Bekanntheit der Marke.

 

3.

 

Verletzungshandlungen im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG und § 15 Abs. 3 MarkenG sind mit denselben Erwägungen zu verneinen, wie solche im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG und § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG.

 

II.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO.

 

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.