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Rechtsanspruch auf Aufnahme in den Suchmaschinen-Index (am Beispiel Google)?
1. Einführung
Webmaster kennen das Procedere: Man meldet eine Webseite bei Suchmaschinen und Katalogen an und wartet erst einmal. Nach nicht voraussehbarer Zeit ist die Seite dann im Index zu finden - oder auch nicht, wie man schmerzlich feststellen muss. Ob man sich die Mühe gemacht hat, alle Eintragungen selbständig vorzunehmen oder ob man einen professionellen Dienstleister beauftragt hat, manche Webseite ist einfach nicht auffindbar.
Aufgrund der Automatisierung der Prozesse und der chronischen Überlastung durch neue Einträge ist auch eine direkte Anfrage bei der betreffenden Suchmaschine zwecklos.
Immer häufiger stellt sich daher in der letzten Zeit die Frage, ob ein Rechtsanspruch auf Aufnahme in den Suchmaschinen-Index besteht.
2. Vertraglicher Anspruch auf Aufnahme in den Index
Möglicherweise besteht ein vertraglicher Anspruch auf Aufnahme in den Suchindex.
Dieser Vertrag könnte bei Absenden des Eintragungsformulars geschlossen werden. Ein Vertrag entsteht normalerweise durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen. Es ist also maßgeblich, was die Parteien äußern. Ist dies nicht klar erkennbar, so sind die Willenserklärungen auszulegen. Gleichzeitig ist die Verkehrssitte, also das übliche Vorgehen, zu berücksichtigen (§§ 133, 157 BGB).
Möglicherweise gibt also der Betreiber einer Suchmaschine eine Willenserklärung auf Abschluss eines Vertrages ab, mit dem er sich zur Eintragung verpflichtet. Betrachtet man die Webseite, auf der man bei Google eine Seite eintragen kann, so heißt es dort wörtlich:
"Während des Web-Durchgangs erweitern wir unseren Index mit neuen und aktualisierten Websites. Wir bieten Ihnen hier an, Ihre URL anzugeben. Allerdings fügen wir unserem Index nicht alle URLs hinzu und können auch keine Garantie übernehmen oder Voraussagen machen, ob und wann sie erscheinen." |
Nach einer technischen Erklärung folgt das Eingabeformular mit dem Button "URL hinzufügen".
Zu einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung gehört u.a. das Merkmal des sog. Erklärungsbewusstseins. Dabei handelt es sich um das Bewusstsein, dass die abgegebene Erklärung eine rechtliche Folge hat. Vorliegend wäre die rechtliche Folge die Verpflichtung zur Eintragung einer Webseite in den Index.
Die Bezeichnung auf dem Button "URL hinzufügen" deutet in diese Richtung, jedoch spricht die Angabe "Wir bieten Ihnen hier an, Ihre URL anzugeben" eine andere Sprache: Der Betreiber der Suchmaschine will sich eben gerade nicht verpflichten, eine Webseite in den Index aufzunehmen. Er bietet lediglich an, die eingegebene URL zu empfangen und automatisch mittels einer Software zu besuchen.
Auch nach den äußeren Umständen spricht nichts für eine vertragliche Verpflichtung auf Aufnahme in den Index: Zwar ist es in der Rechtsprechung mittlerweile anerkannt, dass verpflichtende Verträge automatisch durch Software zustande kommen können, jedoch wäre es vollkommen unüblich, dass der Betreiber einer Suchmaschine sich zu einer solchen Eintragung rechtsgeschäftlich verpflichtet.
Bedenkt man die Folgen einer solchen Verpflichtung, wird schnell klar, weshalb: Verletzt er diese Verpflichtung aus dem Vertrag, so hat er Schadensersatz zu leisten (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB).
Bei der Flut der täglich getätigten Eintragungen wäre es für den Betreiber der Suchmaschine technisch vollkommen widersinnig und zudem wirtschaftlich ruinös, sich automatisch dieser Verpflichtung zu stellen.
Der Betreiber gibt also keine entsprechende Willenserklärung ab, mittels derer er sich vertraglich zu binden gedenkt. Ein vertraglicher Anspruch auf Aufnahme in den Suchindex besteht also nicht.
3. Zwang zur Aufnahme in den Index (Kontrahierungszwang)
Möglicherweise muss der Betreiber der Suchmaschine mit einem Webmaster aber einen solchen Vertrag abschließen. Ein solcher Zwang, Kontrahierungszwang genannt, ist im deutschen Recht selten. Er findet sich in verschiedenen Spezialgesetzen, die die Versorgung mit lebenswichtigen oder öffentlichen Waren und Dienstleistungen regeln.
So ist ein Energieversorger zum Vertragsabschluß gezwungen (§ 10 Abs. 1 S. 1 des Energiewirtschaftsgesetzes, ebenso wie ein Taxifahrer (§ 22 des Personenbeförderungsgesetzes). In beiden Fällen darf ein Vertragsabschluß durch den Dienstleister grundsätzlich nicht verweigert werden.
Ein solches Spezialgesetz existiert für Suchmaschinen nicht.
Jedoch dürfen nach § 20 Abs. 1 des Gesetzes gegen marktbeherrschende Unternehmen (GWB) Monopolisten oder Quasi-Monopolisten andere Unternehmen nicht unbillig behindern oder im Vergleich zu anderen Firmen unterschiedlich behandeln, solange kein sachlich gerechtfertigter Grund vorliegt.
a) Marktbeherrschendes Unternehmen
Ein Unternehmen ist laut § 19 Abs. 2 Nr. 2 GWB marktbeherrschend, wenn es im Verhältnis zu seinen Wettbewerben eine überragende Marktstellung hat. Dabei sind Marktanteil, Finanzkraft, Marktzugang, Verflechtungen mit anderen Unternehmen, Schranken für andere Unternehmen, der allgemeine Wettbewerb, Angebot und Nachfrage, sowie Ausweichmöglichkeit auf andere Unternehmen zu berücksichtigen.
Laut § 19 Abs. 3 S. 1 GWB wird bei einem Marktanteil von 1/3 angenommen, dass ein Unternehmen marktbeherrschend ist. Nach einer aktuellen Erhebung liegt der Marktanteil von Google bei Suchanfragen in den USA bei 48%, in Deutschland bei fast 80%.
Damit handelt es sich bei Google unzweifelhaft um ein marktbeherrschendes Unternehmen.
b) Unterschiedliche Behandlung
Es müsste eine unterschiedliche Behandlung vorliegen.
Es ist davon auszugehen, dass Google herkömmlicherweise eine Webseite in den Suchindex einträgt. Die Verweigerung einer Eintragung wäre also eine unterschiedliche Behandlung.
c) Folge: Zwang zum Eintrag
Aus §§ 33 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1 GWB folgt, dass ein Anspruch auf Unterlassung der Ungleichbehandlung besteht. Daraus ergibt sich ein Kontraktionszwang, d.h. eine Pflicht des Unternehmers, den Vertragsabschluß durchzuführen.
Vorliegend bedeutet dies, daß Google verpflichtet wäre, eine Webseite in den Suchindex aufzunehmen. Es bestünde somit ein Rechtsanspruch, der notfalls auch gerichtlich durchgesetzt werden könnte.
d) Ausnahme: Sachlicher Grund
Das Gesetz macht eine Ausnahme: Liegt ein sachlicher Grund vor, so ist die Ungleichbehandlung gerechtfertigt.
aa) Wettbewerbswidrigkeiten
Die mehrfache Eintragung einer einzelnen Webseite, die versuchte Indizierung mit sachfremden Stichworten, die automatische Generierung von Keyword-Seiten für die Indizierung der Suchmaschine, die Benutzung sachfremder META-Tags usw. sind grundsätzlich Wettbewerbsverletzungen, vgl. dazu die weiteren Aufsätze auf dieser Seite.
Die Intention ist, etwas vorzutäuschen oder die Suchmaschine fehlzuleiten, um eine bessere Platzierung zu erreichen. In einem solche Fall darf der Betreiber der Suchmaschine die Eintragung ablehnen oder auch später die Seite entfernen.
bb) Straftaten
Derselbe Fall liegt vor, wenn sich auf der Internetseite strafbare Inhalte befinden. Auch dann liegt ein sachlich gerechtfertigter Grund vor, aus dem die Aufnahme in den Index abgelehnt werden darf bzw. eine spätere Löschung gerechtfertigt ist.
4. Anspruch auf Platzierung?
Die reine Aufnahme einer Seite bei Google reicht für das Auffinden einer Webseite in der Praxis aber noch nicht aus. Eine Platzierung an gehobener Position ist essentiell. Die Gretchenfrage ist nun: Besteht auch auf eine gewisse Platzierung ein rechtlicher Anspruch?
Wie bereits dargelegt, ist Google nach §§ 33 Abs. 1 S. 1, 20 Abs. 1 GWB zur Gleichbehandlung verpflichtet. Fraglich ist aber nun, wie diese Gleichbehandlung auszusehen hat.
Google verwendet - soweit bekannt - einen Algorithmus, der anhand verschiedenen Kriterien die Bedeutung einer Webseite berücksichtigt (z.B. Anzahl der auf Seite verweisenden Links). Anhand dieser Wertung wird die Webseite dann im Index platziert.
Mittels dieses Verfahrens wird demnach jede Internetseite automatisch platziert.
Eine Ungleichbehandlung läge also nur dann vor, wenn Google willkürlich, ohne Verwendung seines Algorithmus, eine Webseite absichtlich an falscher Stelle platziert. Es besteht demnach - aus demselben Rechtsgrund wie schon oben erläutert - ein Anspruch an die marktbeherrschende Suchmaschine, jede Webseite, die eingetragen wird, gleich zu behandeln, d.h. nach demselben Verfahren zu platzieren.
Ein Anspruch auf eine bestimmte Platzierung besteht dagegen nicht. Google kann somit im Rahmen eines freien Ermessens die Algorithmus-Kriterien vollkommen autonom bestimmen. Nur dort, wo willkürlich gehandelt würde, wäre dieses freie Ermessen überschritten.
5. Fazit und Auswirkungen
Es besteht ein wettbewerbsrechtlicher Anspruch auf Aufnahme in den Index gegen marktbeherrschende Suchmaschinen. Dieser kann auch gerichtlich durchgesetzt werden.
Der Anspruch resultiert aus dem Diskriminierungsverbot (§ 20 Abs.1 GWB) und verpflichtet das marktbeherrschende Unternehmen zur Gleichbehandlung. Derselbe Anspruch verpflichtet die Suchmaschine, alle Webseiten entsprechend denselben Kriterien zu platzieren.
Den Anspruch auf Aufnahme in den Suchmaschinen-Index besteht somit - aus rein juristischer Sicht. Auf einem ganz anderen Blatt steht freilich, ob ein solches rechtliches Vorgehen wirtschaftlich auch Sinn macht. Diesbzgl. dürften erhebliche Zweifel angebracht sein.
Aufgrund des weitgehend unbekannten Algorithmus, nach dem die Seiten platziert werden, ist es jedoch nahezu unmöglich, eine Ungleichbehandlung zu anderen Unternehmen nachzuweisen und so einen Platzierungsanspruch durchzusehen.
Abschließend seien noch kurz zwei Punkte erwähnt. Erstens: Die gesamte Problemlage wurde hier nach deutschem Recht besprochen. In der Praxis ist aber die große Frage zunächst, ob deutsches Recht überhaupt zur Anwendung kommt oder ob nicht vielmehr die Rechtsordnung eines anderen Staates greift. Zweitens: Bislang existiert zu dieser Problematik noch keinerlei Rechtsprechung in Deutschland. Es handelt sich also - noch - um ein theoretisches, rechtswissenschaftliches Problem.