Ehemaliger Stasi-Mitarbeiter darf in Online-Pressearchiv auch nach 14 Jahren namentlich genannt werden

Landgericht Hamburg

Urteil v. 07.08.2009 - Az.: 324 O 767/08

Leitsatz

Ein im Rahmen eines bedeutsamen Spionage-Prozesses als wichtiger Zeuge vernommener früherer Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR muss es auch heute noch hinnehmen, dass ein 1994 in zulässiger Weise veröffentlichter Presseartikel, in dem er namentlich genannt wird, weiterhin im Pressearchiv vorgehalten wird.

Sachverhalt

Der Kläger arbeitet heute in leitender Position in der Immobilienwirtschaft. Er war früher in der Funktion eines Oberleutnants im Ministerium für Staatssicherheit der DDR beschäftigt. Im Rahmen eines Spionage-Prozesses gegen einen besonders wichtigen und prominenten inoffiziellen Mitarbeiter sagte er als einer der wichtigen Zeugen aus. 1994 wurde er deshalb in einem Pressebericht über den Spionage-Prozess namentlich genannt.

Im Jahr 2008 ging der Kläger gegen das Presseorgan vor, welches den Artikel weiterhin im Archiv öffentlich zugänglich bereithält. Er beanstandet, dass sein Name nach 14 Jahren immer noch genannt werde und der Bericht über Suchmaschinen gefunden werden könne. Sein Persönlichkeitsrecht sei durch diese Tatsache beeinträchtigt.

Entscheidungsgründe

Das Gericht wies die Klage ab. Die namentliche Nennung des Klägers sei zulässig.

Die Abwägung der widerstreitenden Interessen der Beteiligten falle zugunsten des Berichterstattungsinteresses aus. Zwar entfalte die Veröffentlichung der Information, der Kläger sei Mitarbeiter der Staatssicherheit gewesen, persönlichkeitsrechtliche Relevanz. Jedoch sei eine tatsächliche Beeinträchtigung des Klägers, der heute in einer leitenden Position arbeite, nach Zeitablauf von 14 Jahren nicht festzustellen.

Dem gegenüber schreibe die gesetzgeberische Wertung des § 32 Stasi-Unterlagen-Gesetz der namentlichen Nennung von Beteiligten in Spionage-Verfahren erhebliche Bedeutung zu. Der Kläger sei zwar nicht selbst an den Spionage-Vorwürfen beteiligt, aufgrund seiner nicht ganz unbedeutenden Stellung als Oberleutnant aber ein wichtiger Zeuge bei der Aufklärung der Vorkommnisse gewesen.

Im Spionage-Verfahren gegen eine Person, die wichtige politische Ämter bekleidete, habe auch ein öffentliches Interesse daran bestanden, welche Personen sie schließlich überführt hätten. Nach § 32 Stasi-Unterlagen-Gesetz dürfen personenbezogene Informationen über Mitarbeiter der Staatssicherheit grundsätzlich veröffentlicht werden, um dem Bedürfnis nach Authentizität der Aufklärung Rechnung zu tragen. Vor dem Hintergrund dieser Wertung sei auch nach 14 Jahren kein überwiegendes Persönlichkeitsrecht des Klägers zu verzeichnen. Er habe daher die weitere Nennung seines Namens im Archiv hinzunehmen.