Schuldner muss bei irreführender Firmierung von sich aus Einträge im Internet durchsuchen

Landgericht Kaiserslautern

Urteil v. 08.07.2014 - Az.: HK O 33/13

Leitsatz

1. Zwar kann ein Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung nicht dazu verpflichtet werden, unbegrenzt das Internet auf entsprechende Einträge hin zu durchsuchen.

2. Wegen des durch das Internet erheblich gesteigerten Verbreitungsrisikos ist es dem Schuldner jedoch rechtlich zumutbar und bei Eingehen einer Unterlassungsverpflichtung auch geboten, in zeitnaher Zeit nach Abschluss der Unterlassungsverpflichtung eigene Recherchebemühungen einzuleiten, um auf diese Art und Weise zumindest bei den gängigsten Suchmaschinen eine Löschung der zukünftig zu unterlassenden Bezeichnung zu bewirken, um dadurch der Gefahr einer unbegrenzten Weiterverbreitung im Internet entgegenzuwirken.

Tenor

In dem Rechtsstreit (...) hat die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Kaiserslautern (...) aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.10.2013 für Recht erkannt:

1. Das Versäumnisurteil der Kammer vom 09. Juli 2013 bleibt aufrechterhalten.

2. Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.

3. Die Vollstreckung aus dem oben genannten Versäumnisurteil kann nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages fortgesetzt werden.

Sachverhalt

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe.

Der Kläger verfolgt als eingetragener Verein das Ziel wettbewerbskonformen Verhaltens am deutschen Markt. Er ist als Verein in die Liste der zugelassenen Einrichtungen gemäß § 8 Abs. 3 u. 4 UWG eingetragen.

Der Beklagte ist Inhaber eines Sachverständigenbüros für Kraftfahrzeugtechnik. Er veranlasste am 01. April 2006 die Eintragung seines Unternehmens auf einer von der O. AG (zukünftig: Betreiberin) betriebenen Internetseite „stadtbranchenbuch.com“. Über den Inhalt der vom Beklagten veranlassten Eintragung streiten die Parteien.

Am 14. Januar 2011 schlossen die Parteien eine Vereinbarung, durch die sich der Beklagte u. a. verpflichtete, es zukünftig zu unterlassen, im Geschäftsverkehr unter Verwendung der Bezeichnung „zertifizierte und anerkannte hauptberufliche Kfz-Sachverständige e. V.“ ohne Erlaubnis des Berechtigten aufzutreten. Zugleich verpflichtete er sich zur Bezahlung einer Vertragsstrafe für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung in Höhe von jeweils 4.000, - €. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten kann auf die Vereinbarung vom 14. Januar 2011 (Bl. 6 d. A.) verwiesen werden.

Am 16. Januar 2012 war über das Internet unter der Seite „Stadtbranchenbuch K(...)“ eine Anzeige des Beklagten abzurufen, in der neben den Kontaktdaten unter der Überschrift „Information aus dem Handelsregister“ u. a. ausgeführt ist „zertifizierte und anerkannte hauptberuflicher Kfz-Sachverständige e. V.“ (Bl. 8 d. A.).

Mit Schreiben vom 29. Februar 2012 wurde der Beklagte aufgefordert, die Vertragsstrafe von 4.000,- € an die Klägerin zu bezahlen. In der Folgezeit scheiterte im März 2013 ein Schlichtungsverfahren vor der Industrie- und Handelskammer der Pfalz.

Die Klägerin trägt vor: Der Beklagte habe die seitens der Klägerin beanstandete Eintragung, auch im Hinblick auf die von ihm zu unterlassende Bezeichnung „zertifizierte und anerkannte Kfz-Sachverständige e. V.“ bei der Betreiberin veranlasst. Die Vertragsstrafe sei verwirkt, weil der Beklagte trotz der Vertragsstrafevereinbarung vom Januar 2011 nicht dafür Sorge getragen habe, dass der von ihm veranlasste Eintrag im Stadtbranchenbuch gelöscht werde. Nach Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung sei der Beklagte verpflichtet gewesen, dem Sachverhalt nachzugehen und von ihm veranlasste Eintragungen zu löschen. Seiner Verpflichtung zur turnusgemäßen Überprüfung von elektronischen Medien im Abstand von 1-3 Wochen sei er nicht nachgekommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr nach Erlass eines stattgebenden Versäumnisurteils, das Versäumnisurteil der Kammer vom 09. Juli 2013 aufrecht zu erhalten.

Der Beklagte beantragt, das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Er trägt vor: Lediglich der Grundeintrag mit den Adressdaten sei von ihm im April 2006 veranlasst worden. Die eine Vertragsstrafe auslösende Eintragung mit der Bezeichnung als zertifizierte und anerkannte hauptberufliche Kfz-Sachverständige e. V. sei von ihm nicht veranlasst worden. Diese Eintragung sei von einer Firma veranlasst worden, die insoweit ohne Absprache mit ihm die von der Betreiberin geschaltete Anzeige im Internet im Mai 2011 mit den verbotenen Daten angereichert habe. Er selbst habe erstmals mit Anschreiben der Klägerin vom 29. Februar 2012 über die ihm verbotene Nutzung der streitgegenständlichen Firmierung erfahren.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien kann auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.

Die Kammer hat in der Verhandlung vom 09. Juli 2013 ein Versäumnisurteil erlassen, mit dem dem ursprünglichen Klageantrag stattgegeben und der Beklagte zur Zahlung von 4.000,- € nebst Zinsen verurteilt worden war (Bl. 58-59 d. A.). Hiergegen erhob der Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Julis 2013 Einspruch (Bl. 65 d. A.). Die Kammer hat in dieser Sache Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeuginnen R. (Bl. 138-140) sowie S. (Bl. 146-147) vor dem beauftragten Richter. Hinsichtlich der Einzelheiten kann insoweit auf die protokollierten Aussagen der Zeugen Bezug genommen.

Nach Zustimmung der Prozessbevollmächtigten der Parteien hat die Kammer mit Beschluss vom 19. Mai 2014 den Übergang in das schriftliche Verfahren angeordnet.

Entscheidungsgründe

1. Der zulässige Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 9. Julis 2013 führt nicht zum Erfolg. Die Klage erweist sich auch nach umfassender Sachprüfung als zulässig und begründet.

Dem Kläger steht auf Grundlage der rechtlich nicht zu beanstandenden Vereinbarung vom 04. Januar 2011 ein Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 4.000,- € zu. Der Beklagte hat den Anspruch auf die Vertragsstrafe verwirkt, weil er in schuldhafter Weise dem vereinbarten Unterlassungsgebot zuwider gehandelt hat.

1.1 Dabei liegt entgegen der Auffassung des Beklagten ein objektiver Verstoß gegen die von ihm übernommene Unterlassungsverpflichtung bereits darin, dass unter dem von ihm veranlassten Interneteintrag im Stadtbranchenbuch Kusel eine unberechtigte Nutzung der ihm untersagten Bezeichnung „zertifizierte und anerkannte hauptberufliche Kfz-Sachverständige e. V.“ erschienen ist. Es spielt insoweit für die rechtliche Beurteilung keine Rolle, dass die Unterlassungserklärung aus Anlass einer Verwendung der beanstandeten Firmierung auf einem Firmenschild zu Stande gekommen ist. Denn die Unterlassungserklärung richtet sich ihrem Wortlaut nach auch gegen im Wesenskern gleiche Verstöße, unabhängig davon, welches Werbemedium durch den Unterlassungschuldner in Anspruch genommen wird.

1.2 Der Beklagte hat dem vertraglichen Unterlassungsgebot schuldhaft zuwider gehandelt. Als Schuldner eines Unterlassungsanspruches muss der Beklagte nicht nur alles unterlassen, was zu einer Verletzung führen kann, sondern auch alles tun, was im konkreten Fall erforderlich und zumutbar ist, um künftige oder andauernde Verletzungen zu verhindern oder rückgängig zu machen. Zwar hat er für das selbstständige Handeln Dritter grundsätzlich nicht einzustehen. Er ist jedoch gehalten, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugute kommt, einzuwirken, wenn er mit einem Verstoß ernstlich rechnen muss und er zudem rechtliche und tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten auf das Verhalten der Dritten hat. Insoweit kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, dass der Verstoß ohne sein Zutun erfolgt ist. Das Verschulden des (Unterlassungs-)Schuldners, hier des Beklagten, wird bei objektiv nachvollziehbaren Rechtsverstößen vermutet (BGH BB 2014, Seite 1171, Randz. 26). Von einem solchen schuldhaften Verhalten ist auch im vorliegenden Fall auszugehen. Der Beklagte hat nicht den ihm obliegenden Entlastungsbeweis führen können.

1.2.1 Zwar kann auf Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme nicht festgestellt werden, dass die Eintragung im Internetbranchenverzeichnis als „anerkannte und zertifizierte Sachverständige e. V.“ vom Beklagten selbst herbeigeführt worden ist. Dagegen spricht bereits - worauf der Beklagtenvertreter zutreffend hinweist - die sprachlich, grammatikalisch und inhaltlich mindestens ungenaue Formulierung des Eintrags im Internet unter der Bezeichnung „Informationen aus dem Handelsregister“. Diese Formulierung spricht eher dafür, dass dieser Eintrag über den Beklagten aus allgemein zugänglichen Quellen automatisiert zusammengestellt worden ist (vgl. LG Bonn, Urteil vom 27.2.2013, Az. 1 O 371/12, Rz. 21 nach juris).

Dies wird zusätzlich dadurch untermauert, dass innerhalb der vom Kläger beanstandenten Teil der Werbeanzeige davon die Rede ist, dass bis zum 31. Dezember 2008 verschiedene Unternehmensgegenstände vorhanden gewesen seien, also zu einem Zeitpunkt, der nach der zwischen den Parteien unstreitigen Eintragung des Klägers im Jahr 2006 gelegen hat. Hierfür spricht schließlich auch die Vernehmung der Zeugin S.. Diese hat angegeben, dass die Anzeige des Beklagten im Mai 2011 um die Angaben zum Geschäftsgegenstand angereichert durch ihren Arbeitgeber worden sei und nach Entdecken eines Fehlers, der offensichtlich Anlass für hiesigen Rechtsstreit bietet, im November 2011 die Löschung durch die Betreiberin veranlasst worden sei (Bl. 146 d. A.).

Damit steht für die Kammer zwar fest, dass eine Anreicherung der Internetanzeige des Beklagten ohne dessen unmittelbares Zutun im Mai 2011 von der Firma b. veranlasst worden ist. Damit ist allerdings eine vollständige Entlastung des Beklagten nicht belegt. Denn ein Unterlassungsschuldner kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass Einträge in Branchenverzeichnissen nicht von ihm selbst veranlasst worden sind. Zwar sind die Herausgeber der in Rede stehenden Branchenverzeichnisse keine Erfüllungsgehilfen des Beklagten (vgl. hierzu BGH - Urteil vom 09. November 2011, Az.: I ZR 204/10, Randz. 14 nach Juris).

Im Streitfall ergibt sich die Haftung des Beklagten jedoch aus seinem eigenen schuldhaften Verhalten. Die vom Kläger beanstandete Eintragung beruhte auf der rechts- und vertragswidrigen Firmierung des Beklagten. Zwar kann ein Schuldner einer Unterlassungsverpflichtung nicht dazu verpflichtet werden, unbegrenzt das Internet auf entsprechende Einträge hin zu durchsuchen. Wegen des durch das Internet erheblich gesteigerten Verbreitungsrisikos ist es ihm jedoch rechtlich zumutbar und bei Eingehen einer Unterlassungsverpflichtung auch geboten, in zeitnaher Zeit nach Abschluss der Unterlassungsverpflichtung eigene Recherchebemühungen einzuleiten, um auf diese Art und Weise zumindest bei den gängigsten Suchmaschinen eine Löschung der zukünftig zu unterlassenden Bezeichnung zu bewirken, um dadurch der Gefahr einer unbegrenzten Weiterverbreitung im Internet entgegenzuwirken (vgl. hierzu Almendinger, Probleme bei der Umsetzung namens- und markenrechtlicher Unterlassungsverpflichtungen im Internet, GRUR 2000, 966, 967).

Der Unterlassungsschuldner ist aufgrund der von ihm übernommenen Unterlassungsverpflichtung gehalten ist, unverzüglich eigene Recherchen über die weitere Verwendung der ihm untersagten Bezeichnung durchzuführen, jedenfalls die Betreiber der gängigsten Dienste, wie beispielsweise Google Maps, Gelbe Seiten.de und 11880.com zu veranlassen, die fehlerhafte Bezeichnung in ihren Verzeichnissen entfernen zu lassen (vgl. BGH BB 2014, 1171, Randz. 29). Nach Maßgabe dessen und unter Würdigung des Vortrags des Beklagten ist dieser seiner Unterlassungsverpflichtung nicht in vollem Umfang nachgekommen. Er hat weder vorgetragen, dass er sich überhaupt um die Beseitigung der im Internet kursierenden fehlerhaften Bezeichnung bemüht hat, noch lässt sich seinem Vortrag entnehmen, dass ein solches Bemühen von vornherein aussichtslos gewesen wäre. Auch die Beweisaufnahme hat keine weiteren, den Beklagten entlastenden Umstände zu Tage gefördert. Die Zeuginnen S. und R. (Bl. 139 und 147 d. A.) haben in ihren Vernehmungen angegeben, keinerlei Einzelheiten darüber berichten zu können, wer wann an der streitbefangenen Internetveröffentlichung welche Veränderungen veranlasst hat.


1.4 Anhaltspunkte, die im vorliegenden Fall eine Herabsetzung der zwischen den Parteien vereinbarten Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB Anlass bieten könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 3 ZPO.