Kritische Äußerungen in TV-Interview über Vorstandsvorsitzenden zulässig

Bundesgerichtshof

Urteil v. 22.09.2009 - Az.: VI ZR 19/08

Leitsatz

Kritische Äußerungen in einem TV-Interview über den Vorstandsvorsitzenden eines Unternehmens sind dann von der Meinungsfreiheit gedeckt, wenn aus dem Gesamtkontext der Aussage deutlich wird, dass es sich um eine subjektive Einschätzung handelt. Die Grenze zur Schmähkritik darf dabei nicht überschritten werden.

Sachverhalt

Bei den Klägern handelte es sich um ein Großunternehmen sowie dessen Vorstandsvorsitzenden. Der Beklagte war Aktionär der Klägerin und Sprecher des Aktionärsverbandes. Bereits in der Vergangenheit hatte er sich als Buchautor kritisch zu dem Vorgehen der Kläger geäußert.

In einem TV-Interview der "SWR-Landesschau" kritisierte der Beklagte die Kläger erneut. Folgende Aussage tätigte er dort:

"Ich glaube nicht, dass der Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden freiwillig war. Ich glaube, dass er dazu gedrängt und genötigt wurde." "…und dass muss damit zusammenhängen, dass die Geschäfte nicht immer so sauber waren, die Herr S. geregelt hat."


Die Kläger sahen sich in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und begehrten Unterlassung.

Entscheidungsgründe

Das Gericht gab dem Beklagten Recht.

Es führte zur Begründung aus, dass Aussagen dann von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, wenn es sie überwiegend von dem Element der Stellungnahme sowie des Meinens geprägt seien und die Grenze zur Schmähkritik nicht überschritten sei.

Vorliegend bewertete das Gericht die Aussage als zulässige Meinungsäußerung. Es werde durch die einleitenden Begriffe "ich glaube" deutlich, dass das subjektive Element im Vordergrund stehe. Diese Worte verliehen der Äußerung den Charakter einer Bewertung.

Auch die Passage "(…) und das muss damit zusammenhängen" sei als Meinung zu bewerten. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz sei hier nicht die Grenze zur unzulässigen Schmähkritik überschritten. Eine Äußerung müsse im Gesamtkontext bewertet werden und nicht isoliert. Hiernach werde deutlich, dass weder die Herabsetzung der Person im Vordergrund stehe noch beleidigende Kritik geäußert worden sei.